Logo

Das Resilienz-Dreieck: Wie Gastronomen die Insolvenzwelle 2025 strategisch überstehen

Veröffentlicht am: 28.12.2025

Die Insolvenzwelle rollt – und die Gastronomie steht mittendrin. Während politische Entscheidungen oft Zeit brauchen, entscheidet sich jetzt, welche Betriebe eine Phase erhöhter Unsicherheit stabil überstehen. Dieser Guide liefert dir kein Jammern über Umstände, sondern ein klares Framework: Das Resilienz-Dreieck für wirtschaftlich turbulente Zeiten. Drei Hebel, die du kontrollierst. Drei Bereiche, in denen du heute handeln kannst.

Header Image

Die Situation: Warum 2025 ein Wendepunkt ist

Die Lage ist angespannt: Die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland haben laut Creditreform den höchsten Stand seit über einem Jahrzehnt erreicht. Der Dienstleistungssektor – und damit die Gastronomie – ist besonders betroffen.

Dass gerade jetzt viele Betriebe unter Druck geraten, hat häufig mehrere (teils branchenübliche) Ursachen, die sich überlagern können:

  • Kostenbelastungen, die sich über Zeit aufgebaut haben (z. B. Energie, Personal, Wareneinsatz)

  • Veränderung im Konsumverhalten (z. B. bewussteres Ausgeben, mehr Zurückhaltung)

  • Strukturelle Schwächen in Prozessen und Kalkulation, die in guten Zeiten weniger auffallen

  • Politische Rahmenbedingungen, die sich verändern können – deren Timing und Ausgestaltung aber nicht planbar sind

Unbequeme Realität: Auf politische Entlastung zu warten ist keine Strategie. Selbst wenn gesetzliche Änderungen kommen, ist es aus betrieblicher Sicht sinnvoll, so zu planen, dass der Betrieb auch ohne externe Hilfe stabil bleibt.

Hinweis zu Zahlen und Berechnungen

Alle Kalkulationsbeispiele in diesem Artikel sind ausdrücklich Rechenbeispiele zur Veranschaulichung der Methodik (hypothetische Annahmen). Die tatsächlichen Werte unterscheiden sich je nach Betriebstyp, Standort und Kostenstruktur. Die Logik ist übertragbar – die konkreten Zahlen musst du für deinen Betrieb selbst ermitteln.

Das Resilienz-Dreieck: Dein Framework für Krisenzeiten

Resilienz in der Gastronomie bedeutet nicht, Krisen zu ignorieren. Es bedeutet, so aufgestellt zu sein, dass du Schocks abfedern kannst, ohne sofort in existenzielle Nöte zu geraten. Das Resilienz-Dreieck basiert auf drei gleichwertigen Säulen:

Säule 1: Liquiditäts-Puffer (Der Sauerstoff)

Liquidität ist der Sauerstoff deines Unternehmens. Ohne Sauerstoff stirbst du – egal wie gesund du sonst bist. Viele Gastronomen denken bei Krise sofort an Umsatzsteigerung. Das kann helfen, ist aber häufig schwer kurzfristig zu erzwingen. Liquidität ist das, was dich handlungsfähig hält.

Das Prinzip der Liquiditätsreserve:

Als Orientierung kann eine Reserve dienen, die dich für eine gewisse Zeit bei schwankenden Umsätzen trägt. Wie hoch diese Reserve sein sollte, hängt von Fixkosten, Saison, Zahlungszielen und Risikoprofil ab.

Rechenbeispiel (hypothetische Werte):

  • Monatliche Fixkosten (z. B. Miete, Gehälter, Versicherungen): angenommen 25.000 €

  • Reserve für mehrere Monate: z. B. 3 × 25.000 € = 75.000 €

Wichtig ist weniger die „perfekte“ Zielzahl als die Richtung: Jeder zusätzliche Puffer verschafft dir Zeit, Optionen und Verhandlungsmacht.

Sofort-Maßnahmen für die Liquidität:

  • Zahlungsziele mit Lieferanten prüfen und ggf. neu verhandeln (mehr Puffer durch längere Fristen)

  • Vorauszahlungen aktivieren, wo es zur Positionierung passt (z. B. Events, Catering-Anzahlungen, Gutscheine)

  • Laufende Verträge/Abos konsequent prüfen und Überflüssiges beenden

Säule 2: Kostenstruktur-Analyse (Die Wahrheit)

Viele Gastronomen kennen ihren Wareneinsatz. Wenige kennen ihre tatsächliche Kostenstruktur auf Produktebene. In unsicheren Zeiten ist diese Transparenz überlebenswichtig.

Das Konzept der Deckungsbeitrags-Hierarchie:

Nicht jeder Euro Umsatz ist gleich viel wert. Entscheidend ist, was nach variablen Kosten übrig bleibt, um Fixkosten zu decken.

Die Formel:

Deckungsbeitrag = Verkaufspreis - Variable Kosten (Wareneinsatz + direkte Arbeitszeit)

Die Logik dahinter: In einer Druckphase solltest du aktiv steuern, was verkauft wird. Produkte mit schwachem Deckungsbeitrag können – je nach Mix – Liquidität und Ergebnis belasten.

Pareto als praktische Arbeitshypothese:

In vielen Betrieben konzentriert sich der wirtschaftliche Beitrag auf einen Teil der Karte. Das ist keine Naturgesetz-Quote, aber eine hilfreiche Denkweise: Identifiziere deine Top-Performer und mache es Gästen leicht, genau diese zu bestellen.

Säule 3: Einnahmensicherung (Die Offensive)

Die ersten beiden Säulen sind defensiv. Sie sichern ab. Die dritte Säule ist offensiv: Wie sicherst du bestehende Einnahmen und erschließt neue?

Der Stammgast-Hebel:

Stammgäste sind in unsicheren Zeiten besonders wertvoll: Sie kommen regelmäßig, empfehlen weiter und stabilisieren die Auslastung.

Frequenz-Logik (als Rechenidee):

Schon kleine Veränderungen in der Besuchshäufigkeit können im Jahresverlauf spürbar werden – ohne dass du zwingend mehr Neukunden gewinnen musst.

Rechenbeispiel (hypothetische Werte):

  • Durchschnittsbon: 35 €

  • 2 Besuche pro Monat = 24 Besuche/Jahr = 840 €/Jahr

  • 3 Besuche pro Monat = 36 Besuche/Jahr = 1.260 €/Jahr

  • Differenz: 420 €/Jahr pro Person

Deep Dive: Die Logik der versteckten Kosten

Insolvenz kommt selten durch einen großen Fehler. Sie kommt oft durch die Summe vieler kleiner Ineffizienzen, die in guten Zeiten weniger auffallen.

Das Phänomen der schleichenden Kostenexplosion

Wenn mehrere Kostenkategorien über längere Zeit steigen (mal langsam, mal stärker), kann der Effekt kumulativ erheblich sein:

  • Wareneinsatz: kann sich schleichend verschlechtern (Portionierung, Einkauf, Schwund)

  • Energie: volatil und schwer planbar

  • Personal: dauerhaft hoher Druck durch Lohnniveau, Verfügbarkeit, Produktivität

  • Miete: abhängig vom Vertrag und Indexierungen

Einzeln betrachtet wirken solche Veränderungen oft beherrschbar. In Summe können sie die Marge erodieren, ohne dass es ein einzelnes „Alarm“-Signal gibt.

Die Logik der Margen-Erosion:

Wenn Kosten schneller steigen als Preise, schrumpft die Marge. Das ist simpel – wird aber im Tagesgeschäft häufig zu spät sichtbar.

Praktische Konsequenz (als Handlungsoptionen): Du kannst je nach Konzept

1. Preise anpassen,

2. Kosten senken oder besser steuern,

3. Effizienz erhöhen (gleicher Input, mehr Output).

Warum Entlastungen allein nicht reichen

Politische Entlastungen (wenn sie kommen) können Spielraum geben. Der betriebliche Effekt hängt aber davon ab, wie du diesen Spielraum nutzt. Typische Möglichkeiten sind:

  • Preisstrategie: Erleichterung teilweise an Gäste weitergeben oder im Betrieb belassen

  • Stabilisierung: Liquiditätspuffer aufbauen

  • Effizienz: Prozesse verbessern, die dauerhaft Kosten senken

Entscheidend ist: Plane so, dass dein Geschäftsmodell auch ohne externe Entlastung tragfähig bleibt – und nutze mögliche Entlastungen dann strategisch.

Das politische Spiel: Realismus statt Hoffnung

Die DZG fordert, den Bundesratsbeschluss zum Steueränderungsgesetz unverändert zu lassen. Das zeigt, wie groß der Handlungsdruck aus Sicht der Branche ist.

Für deine operative Planung gilt dennoch ein realistischer Grundsatz:

  • Politische Prozesse können sich verzögern,

  • Inhalte können sich ändern,

  • Effekte kommen – wenn überhaupt – nicht unbedingt dann, wenn dein Betrieb sie braucht.

Dein Betrieb sollte daher nicht auf Annahmen über politische Zeitpläne gebaut sein.

Die Zwei-Szenarien-Planung

Professionelle Unternehmensführung bedeutet, zwei Denkmodelle parallel zu pflegen:

Szenario „ohne Entlastung“ (Planbarkeit im eigenen Einflussbereich):

  • Welche Kosten kannst du kurzfristig und mittelfristig steuern?

  • Welche Angebote/Öffnungszeiten sind wirtschaftlich sinnvoll?

  • Welche Preisanpassungen sind vertretbar?

Szenario „mit Entlastung“ (Optionen sinnvoll nutzen):

  • Nutzt du Spielraum für Stabilisierung (Puffer) oder für Wachstum (Investitionen)?

  • Welche Maßnahmen bringen dauerhaft Wirkung?

Wer beide Szenarien vorbereitet hat, reagiert schneller und konsequenter.

Chefplatz Logo

Jetzt Chefplatz ausprobieren!

Binde Reservierungen direkt auf deiner Website ein – einfach, schnell und deine Kunden im Mittelpunkt.

Mehr erfahren

Auch interessant:

Header Image

Das Gastro-Kompass-Prinzip: Wie du dein Restaurant strategisch durch unsichere Zeiten navigierst

Die Branche steht vor einem Paradoxon: vielerorts gut gefüllte Häuser treffen auf spürbaren Margendruck. In Interviews und Verbandsstatements ist in solchen Phasen häufig von "Ruck" und "Zusammenarbeit" die Rede – als Inhaber stellt sich aber vor allem die Frage: Was bedeutet das konkret für meinen Betrieb? Die Antwort liegt weniger im Warten auf externe Entscheidungen, sondern in einem strategischen Framework, das dir hilft, auch bei wechselnden Rahmenbedingungen handlungsfähig zu bleiben.

Taktik: Die Krisen-Audit-Checkliste

Theorie ist wichtig. Aber jetzt wird es praktisch. Diese Checkliste kannst du heute Abend nach Feierabend durchgehen.

Phase 1: Bestandsaufnahme (Diese Woche)

Liquidität:

  • [ ] Aktueller Kontostand aller Geschäftskonten

  • [ ] Offene Forderungen (wer schuldet dir Geld?)

  • [ ] Offene Verbindlichkeiten der nächsten 30/60/90 Tage

  • [ ] Kreditlinien: Welche bestehen? Welche sind ausgeschöpft?

  • [ ] Datum der nächsten großen Zahlung (Miete, Gehälter, Steuern)

Kostenstruktur:

  • [ ] Liste aller Fixkosten mit exakten Beträgen

  • [ ] Liste aller variablen Kosten (Durchschnitt der letzten 3 Monate)

  • [ ] Identifikation von 3 Kostenpositionen, die "out of control" erscheinen

  • [ ] Datum der letzten Vertragsüberprüfung (Strom, Gas, Versicherungen)

Einnahmen:

  • [ ] Durchschnittlicher Tagesumsatz (Wochentag vs. Wochenende)

  • [ ] Gästefrequenz-Trend der letzten 6 Monate

  • [ ] Durchschnittsbon-Entwicklung

  • [ ] Anteil Stammgäste vs. Laufkundschaft (Schätzung)

Phase 2: Sofortmaßnahmen (Nächste 2 Wochen)

Quick Wins Liquidität:

  • [ ] Alle Abos prüfen und unnötige kündigen

  • [ ] Zahlungsziel-Verhandlung mit Top-3-Lieferanten einleiten

  • [ ] Offene Gutscheine prüfen: Wie viele sind im Umlauf?

  • [ ] Kleine Eventpakete mit Vorauszahlung anbieten

Quick Wins Kosten:

  • [ ] Energieverbrauch-Analyse der letzten 12 Monate

  • [ ] Überstunden-Situation im Team prüfen

  • [ ] Wareneinsatz der 10 umsatzstärksten Gerichte berechnen

  • [ ] Versicherungsvergleich anfordern (Betriebshaftpflicht, Inventar)

Quick Wins Einnahmen:

  • [ ] Stammgast-Liste erstellen (auch wenn nur mental)

  • [ ] Eine konkrete Aktion zur Frequenzsteigerung planen

  • [ ] Upselling-Potenziale in der Karte identifizieren

  • [ ] Google-Maps-Profil auf Aktualität prüfen

Phase 3: Strategische Weichenstellungen (Nächste 30 Tage)

Preisgestaltung:

  • [ ] Letzte Preiserhöhung: Wann? Wie hoch?

  • [ ] Kalkulationscheck: Welche Gerichte sind unter Ziel-DB?

  • [ ] Entscheidung: Preisanpassung ja/nein? Wenn ja: Wann?

Angebotsstruktur:

  • [ ] Speisekarten-Analyse: Welche Gerichte verkaufen schlecht UND haben niedrigen DB?

  • [ ] Reduktion der Komplexität: Kann die Karte verkleinert werden?

  • [ ] Neue Angebote: Gibt es margenstarke Ergänzungen?

Personal:

  • [ ] Auslastung der Schichten prüfen (Überbesetzung?)

  • [ ] Flexible Arbeitsmodelle evaluieren

  • [ ] Schlüsselmitarbeiter identifizieren und binden

Phase 4: Monitoring (Kontinuierlich)

Wöchentliches Minimum:

  • [ ] Kassenstand prüfen

  • [ ] Umsatz vs. Vorwoche vergleichen

  • [ ] Gästefeedback auswerten (Google, verbal)

Monatliches Minimum:

  • [ ] Vollständige BWA durchsprechen (mit Steuerberater)

  • [ ] Wareneinsatz-Quote berechnen

  • [ ] Personalkosten-Quote berechnen

  • [ ] Abweichung vom Plan analysieren

Die mentale Komponente: Führen in unsicheren Zeiten

Zum Schluss ein oft übersehener Aspekt: Deine eigene Resilienz als Unternehmer.

Insolvenz-Wellen erzeugen Druck – nicht nur wirtschaftlich, sondern psychologisch. Die Nachrichten sind voll von Pleiten, die Stimmung in der Branche ist angespannt, und das färbt ab.

Drei Prinzipien für mentale Stärke:

1. Kontrollierbare Faktoren fokussieren: Du kannst die Insolvenzstatistik nicht ändern. Du kannst gesamtwirtschaftliche Entwicklungen nicht direkt beeinflussen. Was du beeinflussen kannst: Kostenstruktur, Preislogik, Angebotsmix, Marketing, Servicequalität.

2. Entscheidungsqualität über Ergebnis: In unsicheren Zeiten garantiert keine Entscheidung ein gutes Ergebnis. Was du kontrollieren kannst, ist die Qualität deiner Entscheidungsfindung: Basiert sie auf Daten? Hast du Alternativen geprüft? Gibt es einen Plan B?

3. Netzwerk aktivieren: Ideen kommen oft von Kollegen, die ähnliche Herausforderungen meistern. Austausch mit anderen Gastronomen, Beratern und dem Steuerberater reduziert blinde Flecken.

Zusammenfassung: Dein 3-Punkte-Aktionsplan

1. Heute: Führe den Liquiditäts-Check aus Phase 1 durch. Weißt du, wie viele Tage du ohne Umsatz überleben kannst?

2. Diese Woche: Identifiziere eine Quick-Win-Maßnahme aus jeder Kategorie (Liquidität, Kosten, Einnahmen) und setze sie um.

3. Dieser Monat: Führe eine Deckungsbeitrags-Analyse deiner wichtigsten Gerichte durch. Die Ergebnisse zeigen dir sehr konkret, wo du nachschärfen musst.

Die Insolvenzwelle wird Betriebe mitnehmen. Aber sie wird auch diejenigen stärken, die jetzt konsequent steuern: Liquidität sichern, Profitabilität sichtbar machen, Einnahmen aktiv stabilisieren.

Die Frage ist nicht, ob die Rahmenbedingungen schwierig sind. Die Frage ist, wie robust du deinen Betrieb in dieser Phase aufstellst.