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Wie Sie Eigen- und Fremdproduktion strategisch austarieren

Eine Zentralküche, die täglich sehr hohe Stückzahlen produziert, klingt nach einem Mammutprojekt, das nur für Konzerne relevant ist. Doch die strategischen Prinzipien dahinter gelten für viele Gastronomiebetriebe: Wann lohnt sich Eigenproduktion? Wo sind Kooperationen sinnvoller? Und wie orchestriert man ein Team aus vormals getrennten Einheiten? Dieses Framework hilft Ihnen, die richtigen Entscheidungen für Ihren Betrieb zu treffen – unabhängig von Größe und Ausgangslage.

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Hinweis zur Einordnung

Dieser Artikel entwickelt ein strategisches Framework auf Basis branchenüblicher Praxis in der Gemeinschaftsverpflegung sowie beobachtbarer Best-Practice-Ansätze aus größeren Produktionsküchen. Wo Beispiele, Zahlen oder Quoten auftauchen, sind sie Rechenbeispiele zur Veranschaulichung – keine allgemein gültigen Fakten und keine Empfehlung „als Standard“. Technische Ausprägungen (z. B. Dashboards, Kamerasysteme) sind Optionen, deren Eignung von Prozessreife, Budget, Datenschutzanforderungen und Betriebsgröße abhängt.

Zentralküchen: Ein Framework für Gastronomen

Die Entscheidung zwischen Eigenproduktion und Zukauf ist keine binäre Wahl. Sie ist ein dynamisches Gleichgewicht aus drei Faktoren:

1. Wertschöpfungstiefe – Wie viel Marge bleibt bei Eigenproduktion?

2. Kapazitätselastizität – Kann Ihr Team Schwankungen abfedern?

3. Qualitätskontrolle – Wo ist Ihre Signatur unverzichtbar?

Jede strategische Entscheidung in der Produktion lässt sich an diesen drei Polen messen. Ein Betrieb, der alle drei optimiert, hat nicht zwangsläufig die niedrigsten Kosten – aber typischerweise die höchste Resilienz.

Säule 1: Die Wertschöpfungslogik verstehen

Das Konditorei-Prinzip

Warum ist die Eigenproduktion von Backwaren oft attraktiver als die Zubereitung von manchen Hauptgerichten? Die Antwort liegt häufig in der Wertschöpfungskurve.

Die Formel dahinter (als Denkmodell):

Wertschöpfungsquote = (Verkaufspreis – Rohstoffkosten – variable Arbeitszeit) / Verkaufspreis

Bei Backwaren sind die Rohstoffkosten in vielen Betrieben im Verhältnis zum Verkaufspreis oft deutlich geringer als bei proteinlastigen Gerichten. Gleichzeitig ist der wahrgenommene Wert von „hausgemacht“ bei Desserts und Gebäck häufig hoch.

Rechenbeispiel (hypothetisch):

Angenommen, ein Stück Kuchen verursacht in der Eigenproduktion hypothetisch 0,40 € Rohstoffkosten. Der Verkaufspreis liegt hypothetisch bei 3,50 €. Die anteilige Arbeitszeit pro Stück wird hypothetisch mit 0,30 € kalkuliert.

Wertschöpfungsquote = (3,50 – 0,40 – 0,30) / 3,50 = 80%

Vergleichen Sie das (ebenfalls hypothetisch) mit einem zugekauften Fertigkuchen für 1,80 €:

Wertschöpfungsquote = (3,50 – 1,80) / 3,50 = 49%

Die Differenz zeigt die Logik, warum eine eigene Konditorei strategisch sinnvoll sein kannwenn Kapazität, Qualität und Abverkauf passen.

Die Eigenproduktions-Matrix

Nicht alles, was sich rechnerisch lohnt, ist operativ sofort umsetzbar. Nutzen Sie diese Matrix zur Priorisierung:

  • Backwaren: Hohe Wertschöpfung: ✓, Niedrige Komplexität: ✓, Priorität: Sofort

  • Saucen/Fonds: Hohe Wertschöpfung: ✓, Niedrige Komplexität: ✓, Priorität: Sofort

  • Pasta frisch: Hohe Wertschöpfung: ✓, Niedrige Komplexität: ○, Priorität: Mittelfristig

  • Fleischzuschnitt: Hohe Wertschöpfung: ○, Niedrige Komplexität: ✗, Priorität: Prüfen

  • Convenience-Komponenten: Hohe Wertschöpfung: ✗, Niedrige Komplexität: ✓, Priorität: Auslagern

Hinweis: Die Einordnung ist bewusst generisch. In Ihrem Betrieb können Rohstoffpreise, Qualifikation, Equipment und Nachfrage die Prioritäten verschieben.

Säule 2: Kapazitätselastizität als strategischer Hebel

Das Entkopplungs-Prinzip

Eine häufige Herausforderung in Produktionsküchen: Zeitdruck tötet Qualität. Viele Betriebe lösen das durch zeitentkoppelte Produktion (Vorproduktion, standardisierte Komponenten, klarer Regenerationsprozess) – ein Konzept, das auch für kleinere Einheiten relevant sein kann.

Cook & Chill vs. Cook & Freeze – Die Entscheidungslogik (Faustwerte/Orientierung):

  • Haltbarkeit: Cook & Chill: typischerweise wenige Tage (abhängig von Produkt, Prozess, Kühlkette, HACCP), Cook & Freeze: typischerweise deutlich länger (abhängig von Produkt und Gefrierprozess)

  • Qualitätsveränderung: Cook & Chill: häufig gering, kann aber je nach Gericht variieren, Cook & Freeze: kann je nach Textur/Produkt stärker wahrnehmbar sein

  • Investition: Cook & Chill: oft geringer als Freeze-Setups, abhängig von vorhandener Kühltechnik, Cook & Freeze: kann höher sein (z. B. bei Bedarf an leistungsfähigem Frosten, Lagerkapazität)

  • Flexibilität: Cook & Chill: hoch für planbare Wochenproduktion, Cook & Freeze: hoch für Puffer/Spitzen, abhängig vom Sortiment

  • Ideale Anwendung: Cook & Chill: Standardgerichte/Komponenten mit stabiler Qualität, Cook & Freeze: Vorproduktion, Puffer, spezielle Anforderungen/Sonderkost (je nach Betrieb)

Die strategische Kombination (als Möglichkeit): Standardkomponenten per Cook & Chill vorproduzieren und ausgewählte Spezialartikel/Sortimentspuffer per Cook & Freeze bevorraten – sofern Prozesssicherheit, Produktqualität und Lagerlogistik dafür sprechen.

Kapazitätsplanung: Puffer statt Vollauslastung

Ein robustes Produktionssystem plant selten dauerhaft auf maximale Auslastung. In der Praxis arbeiten viele Betriebe mit einem bewussten Kapazitätspuffer, um Nachproduktion, Sonderaufträge, Ausfälle und Qualitätskontrolle abzufedern.

Statt eine harte Quote als „Regel“ zu setzen, gilt: Definieren Sie einen Puffer, der zu Ihrer Volatilität passt (Nachfrageschwankungen, Krankheitsquote, Lieferunsicherheiten, Produktmix). Wer ohne Puffer plant, produziert oft dauerhaft unter Stress – mit entsprechenden Qualitäts- und Personalkosten.

Säule 3: Qualitätskontrolle durch Technologie

Das Dashboard-Prinzip

Die zentrale Sicht auf Küchenprozesse (z. B. über ERP/Produktionstools, digitale Checklisten, Temperaturdokumentation) ist eine mögliche Konsequenz der Digitalisierung – und nicht nur Großküchen vorbehalten. Was kann das konkret bedeuten?

Integrierte Systeme können erfassen (je nach Setup):

  • Temperaturverläufe und Prüfungen im Rahmen der HACCP-Dokumentation

  • Produktionsmengen und Abweichungen

  • Personaleinsatz pro Station

  • Energieverbräuche bzw. Laufzeiten von Anlagen (wo messbar)

Der strategische Vorteil (als Zielbild): Abweichungen früher erkennen, Ursachen schneller finden und wiederholbare Qualität wahrscheinlicher machen. Ob das via „großem Dashboard“ oder via schlanken, digitalen Checklisten passiert, hängt von Ihrem Betrieb ab.

Portionskontrolle: Von Hand bis kameraunterstützt

Systematische Portionskontrolle ist ein klassischer Hebel für Wareneinsatz und Gästewahrnehmung. Manche Betriebe nutzen dafür einfache Standards (Schöpfkellen, Waagen, Referenzbilder), andere setzen – wo passend und wirtschaftlich – auch auf kameraunterstützte Prüfungen.

Die Logik (branchenüblich):

  • Überportionierung erhöht Wareneinsatz und Abfall

  • Unterportionierung erhöht Reklamationen und senkt Zufriedenheit

  • Sofortiges Feedback (manuell oder technisch) stabilisiert die Ausgabequalität

Für kleinere Betriebe ist eine vollautomatisierte Lösung häufig nicht notwendig. Das Prinzip – messbare, trainierbare Portionsstandards – ist universell anwendbar.

Die Kooperations-Entscheidung: Wann macht Zusammenschluss Sinn?

Beteiligungs- und Governance-Modelle (Beispiele, keine Best-Practice-Regel)

Wenn zwei oder mehr Betriebe eine gemeinsame Produktionseinheit erwägen, stellt sich die Frage nach Governance, Entscheidungsgeschwindigkeit, Haftung und fairer Kosten-/Nutzenverteilung. In der Praxis existieren unterschiedliche Modelle (z. B. Mehrheits-/Minderheitsstrukturen, paritätische Joint Ventures, Betreiber- und Liefermodelle).

Wichtig ist weniger eine „richtige“ Quote als klare Regeln zu:

  • operativer Führung (wer entscheidet im Alltag?)

  • Grundsatzentscheidungen (wer hat Vetorechte?)

  • Kosten-/Erlöslogik (wer trägt welche Fixkosten, wie wird verrechnet?)

  • Qualitätsstandards (wer definiert, wer auditiert?)

  • Exit-Mechanik (was passiert beim Ausstieg eines Partners?)

Entscheidungskriterien für Kooperationen:

1. Geografische Nähe – Logistikkosten können Einsparungen reduzieren

2. Kulturelle Kompatibilität – unterschiedliche Qualitäts- und Führungsstandards erzeugen Reibung

3. Volumensymmetrie – stark ungleiche Partnergrößen können Governance-Konflikte verstärken

4. Exit-Strategie – klare Regeln für Ausstieg, Bewertung und Übergaben

Die Make-or-Buy-Checkliste

Bevor Sie in Eigenproduktion investieren, prüfen Sie:

  • [ ] Ist die Wertschöpfungsquote voraussichtlich deutlich höher als bei Zukauf (auf Basis Ihrer Kalkulation)?

  • [ ] Haben Sie Personalkapazität ohne dauerhaften Überstundenbetrieb?

  • [ ] Können Sie Qualität konsistent über Chargen und Standorte halten?

  • [ ] Ist die Investition innerhalb eines für Ihren Betrieb vertretbaren Zeitraums amortisierbar (Szenarienrechnung)?

  • [ ] Haben Sie einen Plan B (Lieferanten, Fallback-Sortiment, Notfallprozesse)?

Wenn Sie mehrere Punkte nicht mit „Ja“ beantworten können: Zurück ans Reißbrett – und die Engpässe zuerst lösen.

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Das Netzwerk-Kapital: Wie strategische Branchenkontakte Ihren Gastronomiebetrieb transformieren

In einer Branche, die zwischen Fachkräftemangel, Digitalisierungsdruck und steigenden Kosten navigiert, wird ein Faktor systematisch unterschätzt: das strategische Netzwerk. Während viele Gastronomen isoliert nach Lösungen suchen, zeigt sich bei genauerer Betrachtung ein klares Muster: Die erfolgreichsten Betriebe sind Teil eines aktiven Wissens- und Austausch-Netzwerks.

Dieser Guide stellt Ihnen das CONNECT-Framework vor – ein systematischer Ansatz, um Ihr berufliches Netzwerk von einem zufälligen Kontaktsammler in einen echten Wettbewerbsvorteil zu verwandeln. Denn Netzwerken ist kein „Soft Skill“, sondern eine strategische Investition mit nachvollziehbarem, betriebsnahem Nutzen.

Operative Umsetzung: Der 90-Tage-Plan

Phase 1: Analyse (Woche 1-3)

Ziel: Verstehen, wo Ihre Wertschöpfung heute liegt.

Aktionen:

  • [ ] Wareneinsatz pro Produktkategorie ermitteln

  • [ ] Arbeitszeit pro Komponente schätzen (grob)

  • [ ] Top-Zukaufprodukte nach Volumen identifizieren

  • [ ] Verkaufspreise und wahrgenommenen Wert abgleichen

Ergebnis: Eine priorisierte Liste von wenigen Produkten mit Eigenproduktions-Potenzial.

Phase 2: Pilotierung (Woche 4-8)

Ziel: Eine Kategorie testweise selbst produzieren.

Aktionen:

  • [ ] Rezeptur entwickeln oder standardisieren

  • [ ] Testproduktion in kleiner Charge

  • [ ] Qualitätsfeedback einholen (Team, Stammgäste)

  • [ ] Kosten der Testproduktion dokumentieren

  • [ ] Vergleich mit Zukaufskosten durchführen

Ergebnis: Datenbasierte Entscheidung: Skalieren oder verwerfen.

Phase 3: Skalierung (Woche 9-12)

Ziel: Erfolgreiche Pilotprodukte in den Regelbetrieb überführen.

Aktionen:

  • [ ] Produktionsmengen planen (mit bewusstem Kapazitätspuffer)

  • [ ] Schulung des Teams (Rezeptur, Portionierung, HACCP)

  • [ ] Lieferkette für Rohstoffe absichern

  • [ ] Qualitätskontrollpunkte definieren

  • [ ] Erfolgsmessung nach kurzer Laufzeit im Regelbetrieb

Audit-Checkliste: Ist Ihre Küche bereit für mehr Eigenproduktion?

Infrastruktur

  • [ ] Ausreichend Kühlkapazität für Vorproduktion?

  • [ ] Lagerplatz für zusätzliche Rohstoffe?

  • [ ] Geeignete Geräte (Mixer, Pastamaschine, Kombidämpfer)?

  • [ ] HACCP-konforme Dokumentationsmöglichkeit?

Personal

  • [ ] Fachkräfte mit entsprechender Qualifikation?

  • [ ] Kapazität für Zusatzproduktion ohne dauerhafte Überstunden?

  • [ ] Bereitschaft im Team für neue Aufgaben?

  • [ ] Klare Verantwortlichkeiten definierbar?

Finanzen

  • [ ] Investitionsbudget für notwendige Geräte?

  • [ ] Liquidität für höhere Rohstoff-Vorräte?

  • [ ] Kalkulationskompetenz für neue Produkte?

  • [ ] Controlling-System zur Erfolgsmessung?

Markt

  • [ ] Nachfrage nach „hausgemacht“ bei Ihrer Zielgruppe?

  • [ ] Differenzierungspotenzial gegenüber Wettbewerb?

  • [ ] Möglichkeit zur Preisanpassung bei höherer Qualität?

Die drei häufigsten Fehler – und wie Sie sie vermeiden

Fehler 1: Alles auf einmal

Das Problem: Der Enthusiasmus für Eigenproduktion führt dazu, dass zu viele Kategorien gleichzeitig umgestellt werden. Das Team ist überfordert, die Qualität schwankt, die Kosten steigen.

Die Lösung: Schrittweise vorgehen. Ein Produkt erfolgreich etablieren, dann das nächste. Die „Schritt für Schritt“-Philosophie gilt auch für Ihren Betrieb.

Fehler 2: Romantisierung der Handarbeit

Das Problem: „Alles von Hand“ klingt nach Qualität, bedeutet aber oft inkonsistente Ergebnisse und hohe Personalkosten.

Die Lösung: Standardisierung und (wo passend) Automatisierung dort, wo sie Konsistenz verbessert (Portionierung, Abfüllung, Reinigung). Handarbeit dort, wo sie Wert schafft (Veredelung, Anrichten, Kundenkontakt).

Fehler 3: Unterschätzung der Logistik

Das Problem: Die Produktion klappt – aber die interne Logistik (Transport zu Ausgabestellen, Lagerhaltung, Kommissionierung) wurde nicht mitgedacht.

Die Lösung: Bei jeder Eigenproduktions-Entscheidung die gesamte Kette bis zum Gast durchspielen. Engpässe in der Logistik können Produktionsvorteile zunichtemachen.

Fazit: Das Zentralküchen-Dreieck als Kompass

Die Entscheidung zwischen Eigen- und Fremdproduktion ist keine Frage des Stolzes, sondern der Strategie. Das Zentralküchen-Dreieck gibt Ihnen einen Rahmen:

1. Wertschöpfungstiefe prüfen – Wo liegt echtes Margenpotenzial?

2. Kapazitätselastizität sichern – Können Sie Schwankungen abfedern?

3. Qualitätskontrolle etablieren – Wo ist Ihre Signatur unverzichtbar?

Beginnen Sie mit einer ehrlichen Analyse Ihres Status quo. Identifizieren Sie ein Pilotprodukt mit Potenzial. Und dann: Schritt für Schritt zurück zur Wertschöpfung.

Denn am Ende gilt, was für viele Küchen gilt – unabhängig von der Menge: Wer seine Wertschöpfungskette kontrolliert, kontrolliert die eigenen Stellhebel für Marge und Qualität.